Die organisierte Ineffizienz

    • Effizienz: die Dinge richtig tun
    • Effektivität: die richtigen Dinge tun.

Die Dinge effizient erledigen heisst noch lange nicht, dass automatisch die richtigen Dinge getan werden.

Die aktuelle Lehre behauptet, Kapitalismus sei die effizienteste Form zur Organisation der Wirtschaft und ihren Warenströme, denn wenn jedes Glied in der Kette auf seinen Vorteil bedacht sei, wäre automatisch auch das gesamte System optimiert. Das ist jedoch ein grosser Irrtum, wenn nicht sogar eine bewusste grobe Täuschung. Denn mit “effizient” wird hier “effektiv” suggeriert und nur “effizient” ist eben nicht ausreichend.

Gewiss hat ein Produzent, der als einziger ein Produkt auf dem Markt hat,  nicht lange die Macht mit seinem Monopol fast jeden beliebigen Preis dafür zu verlangen. Denn bald kommt ein anderer, der sagt sich, dass kann man auch mit weniger Gewinn herstellen. Wenn das nun aber zu viele denken, führt dies zu einer gnadenloser Konkurrenz. Jeder Produzent muss die Arbeitsplätze reduzieren und damit die verbleibenden Arbeiter stressen, er will die Umweltauflagen möglichst minimal erfüllen und wird seine Unterlieferanten unter Druck setzen. Schliesslich muss er eine Werbemaschinerie in Gang setzen, um auf sich aufmerksam zu machen. Im Ergebnis hat der Konsument ein unübersichtliches Angebot von qualitativ mittelmässiger Ware, die er nur wegen den unlauteren Werbeversprechen überhaupt kauft und die ohnehin gedacht ist, nach kurzer Zeit weggeworfen zu werden.

So steht es zumindest im Lehrbuch. Doch selbst dies funktioniert nicht immer, denn manche Prozesse funktionieren nur dann richtig gut, wenn es einer alleine macht. Beispiele sind Google, Amazon, Facebook, usw. In solchen Fällen ist die globale Gesellschaft darauf angewiesen, dass diese Unternehmen sich gegenüber der Gesellschaft mehr oder weniger freiwillig fair verhalten.

Noch bedenklicher ist jedoch, dass sich durch das System der freien Marktwirtschaft Strukturen bilden, die starr und träge werden, obwohl sie als Ganzes höchst ineffektiv sind. Sie sind auch so gross, dass sie sich nicht nur selbst erhalten, sondern diese Selbsterhaltungsmacht auch in sich tragen (systemrelevant, too big to fail, sind die Schlagworte dazu).

Ein anschauliches Beispiel ist die fossile Energieindustrie. Wenn wir Erdöl aufwendig in der Tiefsee oder durch Fracking gewinnen, es in Raffinerien aufwendig aufarbeiten und um die halbe Welt schippern, nur um es dann höchst ineffizient in komplizierten Motoren zu verbrennen, gibt es unterwegs eine lange Kette von Profiteuren, die absolut kein Interesse daran haben, Mobilität viel einfacher zu betreiben, nämlich mit Energie vom eigenen Hausdach. Jeder Akteur will seine eigenen Prozess so effizient wie möglich gestalten, um den maximalen Profit aus seinem Teilprozess zu schöpfen. Niemand aber interessiert es, dass dieser ganze Prozess aus gesellschaftlicher Sicht jedoch völlig ineffektiv ist. Alternativen werden sogar gezielt mit allen Mitteln bekämpft.
Auch der Kohlearbeiter ist nur an seinem Job interessiert und will nichts davon wissen, dass Kohle die dreckigste und klimaschädlichste Art ist, um Strom zu erzeugen.

 

Effiziente Einzelteile, als Ganzes jedoch völlig sinnlos. Bildquelle: Wikimedia, leicht bearbeitet.

 

Gründe für diese unerfreuliche Situation:

    • Politiker denken in Arbeitsplätzen. Gesellschaftlich effektive Prozesse benötigen jedoch weniger Arbeit bei gleichzeitig mehr Nutzen. Statt die Arbeitszeit zu kürzen, versucht man die ineffektiven Prozesse am Leben zu halten oder zusätzliche Bedürfnisse zu schaffen. Bezahlte Arbeit erscheint deshalb so wichtig, weil sie als Schlüssel zur Verteilung der erzeugten Güter als unentbehrlich gesehen wird. Dabei ist eine verlässliche Grundversorgung unser wichtigstes Bedürfnis und nicht der Arbeitsplatz.
    • Investoren, und da gehören wir mit unseren Pensionskassenguthaben alle dazu, sind an der Ineffektivität interessiert. Denn an jedem Prozess kann man Geld verdienen, egal ob dieser Prozess nützlich, effektiv oder unnötig ist. Also will der Investor möglichst viele Prozesse. Man könnte sagen, je ineffizienter umso besser für den Investor. Im Ergebnis: Je schneller wir die Umwelt zerstören, umso besser für den chrematischen Kapitalismus.
    • Effektivität kostet Bruttoinlandsprodukt (BIP). Unsere Wirtschaftsführer haben schlicht keine Idee, wie eine Wirtschaft mit einem schrumpfenden BIP funktionieren soll. Sie haben also auch keine Idee, wie wir unsere Wirtschaft effektiver betreiben könnten.

Aus diesen und weiteren Gründen führt die freie Marktwirtschaft mit Hang zum Chrematismus also keinesfalls automatisch zu effektiven Prozessen, wie es im Interesse der Gesellschaft wäre und zur Bewältigung der Klimakrise unabdingbar ist.

Lösungsansätze:

    • Zunächst ist zu definieren, was überhaupt das Ziel sein soll: Ein gutes Leben, mit möglichst wenig Verbrauch an Umwelt und möglichst wenig mühseliger Arbeit? Doch wie messen wir das gute Leben? Bestimmt nicht mit dem BIP. Die komplette Antwort wäre an dieser Stelle anmassend, aber es wäre höchste Zeit, dass die Gesellschaft mal bewusst darüber nachdenkt.
    • Für die Herstellung von Gütern wird Natur verbraucht (Umwelt, Ressourcen). Dafür müsste es endlich einen hohen Preis geben. Nur dies verschafft effektiveren Prozessen einen Vorteil, so dass diese sich auch durchsetzen können.
    • Die bezahlte Arbeit darf nicht mehr der alleinige Schlüssel sein, um die erzeugten Güter gerecht zu verteilen.
    • siehe auch: Bedarfs-, Last- und Verteilschlüssel.

 

 

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